Ansprache des Ortsvorstehers Krumbach zum Volkstrauertag 2024 am 16./17.11.2024

Sehr geehrte Anwesende,

„Nie wieder ist jetzt“ lautet das beschwörende Motto des diesjährigen Volkstrauertages. Wir stehen am Ende eines Jahres, das in vielfacher Hinsicht Anlass zur Sorge um den Zustand unseres Landes, um seine Zukunft und vor allem um seine innere wie äußere Sicherheit gibt. – Die Ereignisse der letzten beiden Wochen haben bei mir dieses ungute Gefühl noch einmal deutlich verstärkt.

„Nie wieder!“ – Das beschworen die wenigen Überlebenden des von alliierten Soldaten befreiten KZ Buchenwald bei Weimar in einer bewegenden Zusammenkunft an der Stätte ihrer Peinigung im August 1945. Sie verpflichteten sich und nachfolgende Generationen dazu, einer Tod und Verderben bringenden Entwicklung frühzeitig Einhalt zu gebieten, an deren Ende nur Zerstörung, Elend, Flucht und Vertreibung standen und zig Millionen Menschen ihr Leben lassen mussten. Nur sehr spät und unter schweren Verlusten im Verlauf des Zweiten Weltkrieges aufseiten der Alliierten konnte dem Grauen ein Ende gesetzt werden. – „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“, so lautete folgerichtig der Leitspruch der Buchenwald-Überlebenden.

Betrachten wir einmal grob, unter welchen Bedingungen eine rechtsorientierte Ideologie wie der Faschismus vor gut 100 Jahren, ausgehend von Italien, halb Europa maßgeblich beeinflusst hat:

In einer durch zahlreiche Erschütterungen und Krisen geprägten Situation nach dem 1.Weltkrieg, mit ihren sozialen Verwerfungen, der Angst vor wirtschaftlichem Abstieg, unbewältigter persönlicher wie nationaler Kriegsverluste, griff – auch bei den Siegerstaaten – eine zunehmende Unzufriedenheit mit den Regierungen und der Ruf nach dem „starken Mann“, der das eigene Land wieder zu gewohnter Größe führen werde, um sich. Schuld an allem Übel sei das System des Liberalismus in Gestalt der parlamentarischen Demokratie mit ihrem ewigen Parteiengezänk.

Diesem Bedürfnis entsprach die sich als Anti-Partei definierende Bewegung der Faschisten unter Benito Mussolini, einem ehemaligen Sozialisten, der sich zum radikalen Nationalisten gewandelt hatte. Seine Anhänger leisteten dort, wo die ständig wiederholten einschlägigen Parolen und Hetzreden nicht fruchten wollten, mittels Gewalt und Terror den Rest, um ihren Duce (Führer) zum vermeintlichen Retter werden zu lassen, den der König 1922 schließlich zum Ministerpräsidenten mit immer größeren Vollmachten ernannte. Von nun an prägte ein ungehemmter Führerkult das faschistische Regime, das die damals noch schwachen demokratischen Institutionen erst infiltrierte und schließlich ganz ausschaltete. Man wusste sich vor allem der schon damals wichtigen Massenmedien perfekt zu bedienen, das Volk zu manipulieren, zu uniformieren und zu militarisieren.

Mussolinis gelehrigem Schüler Hitler standen in Deutschland nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise noch weitaus günstigere Bedingungen zur Verfügung, um in viel kürzerer Zeit eine totalitäre Diktatur zu errichten. Darin wurden alle inneren wie äußeren Widerstände für seinen als Revanche für die Niederlage von 1918 geplanten Krieg zur Eroberung des angeblich fehlenden „Lebensraumes“ aus dem Weg geräumt, Oppositionelle buchstäblich mund-tot gemacht. Was das im Einzelnen bedeutete, sollte allen, die hier versammelt sind, hinreichend bekannt sein.

Am Ende stand die totale Niederlage des sog. „Großdeutschen Reiches“ und vor allem eine gigantische Opferbilanz von wenigstens 55 Millionen Kriegstoten.

Gerade in dieser Stunde muss die fast vollständige Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, soweit ihrer die Akteure Nazideutschlands im Zuge ihrer Gräueltaten überall in Europa habhaft werden konnten, Anlass zu trauerndem Gedenken sein.

Deshalb sollte eigentlich das Motto des diesjährigen Volkstrauertages überflüssig sein, wissen w i r doch, wozu der Faschismus in seiner extremen Ausprägung an Gewaltherrschaft und Massenverbrechen fähig gewesen ist.

Wie sieht jedoch die aktuelle weltpolitische Situation aus? – Sehen wir uns nicht im Zeitalter der Globalisierung zunehmend mit großen Herausforderungen konfrontiert, so dass viele um den Bestand ihrer gewohnten materiellen und sozialen Sicherheit fürchten, geschweige denn um die Zukunft künftiger Generationen?  Wieder scheint das parlamentarisch-demokratische System in Zweifel gezogen zu werden, das uns seit 75 Jahren die längste Friedensperiode der jüngeren deutschen Geschichte gesichert hat. Aktuell haben nur noch 42% aller Deutschen eine positive Einstellung zur praktischen Politik unseres Landes.

Werden wir nach den in drei Monaten vorgezogenen Bundestagswahlen eine Regierung bekommen, die den Erwartungen der Menschen auf stabile Verhältnisse gerecht werden wird?

Und wie steht es um unsere aktive Solidarität mit denjenigen, die sich fremder Aggression erwehren müssen?

Wenn also die Unsicherheit schon den inneren Zustand unseres Landes erfasst hat, um wieviel mühsamer werden wir erst den Herausforderungen um die äußere Sicherheit und den Frieden in Europa überhaupt weiter gerecht werden können!

Populisten, Extremisten jeglicher Couleur und Autokraten üben unter Ausnutzung der im Vergleich zu Beginn des 20. Jh.s erheblich größeren Möglichkeiten massenpsychologischer Manipulation bereits auch bei uns einen beträchtlichen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung aus.

Menschen, die nicht einem bestimmten Mainstream entsprechen, werden angegriffen, jüdische Mitbürger allein wegen ihrer Religion pauschal für die Politik des Staates Israel verantwortlich gemacht, der sie nicht selten selbst eher distanziert bis ablehnend gegenüberstehen.

Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten, die bei uns um Aufnahme nachsuchen, können in der Regel nicht für die Ursachen ihrer Flucht verantwortlich gemacht werden, müssen sich aber – wie alle Bewohner unseres Landes – an die Werteordnung des Grundgesetzes halten.

Migration ist eine der ältesten Triebfedern menschlicher Kultur und Zivilisation, die kein Land jemals durch Mauern dauerhaft verhindern konnte.

Es wird deshalb verstärkt notwendig sein, Zuwanderung in einer für Migranten wie Einheimische konstruktiven, d.h. vor allem kommunikativen Weise zu steuern, um ein friedliches Miteinander zu fördern und zu bewahren.

Vorhandene Ängste gegenüber dem Fremden und Unbekannten sind in der menschlichen Natur begründet und dürfen deshalb nicht ignoriert oder kleingeredet werden! Auch in dieser Hinsicht gilt es Versäumnisse abzustellen, um den wahren Feinden unserer Demokratie nicht fahrlässig Vorschub zu leisten!

Deshalb hier und heute erneut der abschließende Appell: Für eine lebenswerte Zukunft müssen alle, denen eine Welt in Frieden und Freiheit, mit individueller, ethnischer und kultureller Selbstbestimmung überall am Herzen liegt, „gemeinsam einstehen im Umgang miteinander für Demokratie, Toleranz, Respekt und Vielfalt“, wie es die Gemeinde Biebertal in ihrer Charta als Maxime bürgerschaftlichen Zusammenlebens niedergelegt hat. – Orientieren wir uns bitte auch in Krumbach im

Rahmen unserer Möglichkeiten immer daran!

Denn nie wieder ist jetzt!                                               

                                                                                                              Gottfried Tschöp

Foto: Tschöp

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